Haltung in der Führung

Gastbeitrag / Dr. Michael Schwalbach

Im Berufsleben ist es wie in der Schule. Auch die persönliche Haltung zum Lernen und Weiterentwickeln ist ein Erfolgsfaktor. Besonders wichtig ist die entsprechende Haltung für diejenigen, die andere Menschen tatsächlich führen möchten. In der Führung sind Haltungsfragen dem entsprechend en vogue. Zu Recht, denn der Qualitätsanspruch an Führung in der Dynamik und Komplexität unserer Zeit ist enorm: Frauen und Männer, die in Unternehmen und Organisationen. Führungsverantwortung tragen, müssen vielfältigste, oft auch konfligierende, Anforderungen bewältigen. Die persönliche innere wie äußere Haltung, mit der Führende an diese Aufgaben herangehen, macht hierbei den Unterschied. Sie ist ebenso wichtig wie die klassischen Führungskompetenzen. Was steckt in dem vieldeutigen Begriff „Haltung“?

 

 

 

Michael Schwalbach

Klare eigene Werte und Einstellungen 

Die Haltung eines Menschen lässt sich aus drei Perspektiven betrachten. Die erste Dimension ist die geistige Haltung. Sie zeigt sich in den Werten und Einstellungen gegenüber sich selbst, der beruflichen Aufgabe und anderen Menschen. Wie stehen Führende beispielsweise zu Themen wie Selbstwert, (Selbst-)Vertrauen, Leistung, Wertschätzung, Respekt oder Verbindlichkeit? Wie gehen sie mit Veränderungen um – flexibel oder eher schwerfällig? 

Oftmals wird eine Haltung eingenommen, weil man glaubt, dass sie von einem erwartet wird. Oder es ist eine Haltung, von der man glaubt, sie zu haben oder haben zu müssen. Dies ist kontraproduktiv. Es geht um eine authentische Haltung, die unabhängig vom Wunschdenken anderer ist.
 
In einem Coaching rang eine junge, aufstrebende Managerin um die Balance zwischen ihrem, wie sie es nannte, „Persönlichen Ich“ und ihrem „Business-Ich“. Eine Umstrukturierung war angekündigt, aber über ein Jahr nicht umgesetzt worden. Bei ihren fast 200 Mitarbeitenden führte das zu einer hohen Verunsicherung, mit der die Führende in ihrer Rolle umzugehen hatte. Das war für sie vor allem deshalb schwer, weil sie persönlich sowohl mit den sachlichen Begründungen als auch mit der fehlenden Klarheit in der Kommunikation ihrer Chefs nicht einverstanden war. Für die Managerin galt, sich klar zu werden, bis wohin sie mitgehen konnte, ohne sich zu verbiegen, und wie sie mit eventuell neu auftretenden Haltungskonflikten umgehen wollte. 

Auch etablierte Führende sehen sich mit aktuellen Haltungsfragen konfrontiert. Neue Arbeitsformen halten Einzug in Unternehmen und Organisationen. Neue Führungskulturen werden entwickelt, verbunden mit einem modernen Rollenverständnis von Führenden. Wer in den alten Kontexten erfolgreich war, tut sich mit solchen Veränderungen oft schwer, wenn etwa mehr Delegation, Selbstermächtigung oder selbst organisierte Formen der Konfliktlösung gefragt sind. 

„Was will ich verkörpern, wie will ich zukünftig führen? Inwieweit bin ich bereit, mich von meiner bisherigen Erfolgsstrategie zu lösen?“ Auf Fragen wie diese brauchen Führende klare Antworten. Viele schauen nach wie vor zu sehr auf Strukturen und Prozesse. Wie schwierig die Veränderung der Einstellung, der sogenannte Mindset Change, sein kann, wird erfahrungsgemäß noch nicht ausreichend berücksichtigt oder schlichtweg unterschätzt. Kurzum: New work needs inner work.

Tun, was man sagt – und dazu stehen 

Sichtbar wird die Haltung durch das Verhalten und Auftreten. Dies ist die zweite Dimension. Wie leben und vertreten wir unsere Haltung? Viele Führende kommen zu mir, da sie sich mehr Souveränität und Gelassenheit wünschen sowie Strategien erlernen wollen, damit sie in schwierigen Zeiten „Haltung bewahren“. Hier gilt: „Nur wer sich selbst gut führt, kann andere gut führen.“ Das moderne Führungsverständnis richtet sich an der Coachingphilosophie aus: Fragen stellen statt Ansagen machen. Anregen und Perspektivwechsel ermöglichen, auch wenn sie unbequem sind. Zum Feedback einladen. Weniger Halt geben, sondern zur Haltung bevollmächtigen. 

Im Führungsalltag gibt es viele Momente, um Haltung zu reflektieren und einzuüben. Ursula Schütze-Kreilkamp, Personalentwicklerin bei der Deutschen Bahn, beschreibt einen solchen Moment: „Ich habe mal einer Konferenz beigewohnt, in der Führungskräfte gedemütigt wurden. Das war so schockierend und erschütternd für mich, dass ich eigentlich hätte aufstehen und gehen müssen. Über dieses Erlebnis bin ich sehr gereift. Ich kann nicht immer Leidtragende beschützen, nicht immer dazwischengehen. Ich kann aber eines tun: aufstehen und mich entscheiden, einer solchen Situation nicht beizuwohnen.“

Souveräne Ausstrahlung, Präsenz und Gesundheit 

Die dritte Dimension von Haltung ist die körperliche: Haltung annehmen, sich „gerade machen“. Wenn es um mehr Ausstrahlung und Präsenz geht, spielt die Körperhaltung eine wichtige Rolle. Immer mehr Vorstände und Topmanager sehen sich als Energiemanager, die auf ihre persönliche Energie und die Energie ihrer Mitarbeitenden achten, regelmäßig Sport treiben und Yoga praktizieren. Wer müde und angestrengt ist, kann zu schnell richten und urteilen, ohne den anderen mit seiner Bemühung zu erkennen.

Es gibt keine gute und schlechte Haltung per se 

„Wofür stehst du?“ Keine einfache Frage. Um sich Haltung zu erarbeiten und auch zu wandeln, braucht es die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Der Begriff „Haltung“ kommt übrigens von dem mittelhochdeutschen Wort „haltunge“, was „anhalten“ bedeutet, im Sinne von Innehalten. Nachdenken alleine reicht aber nicht. Wir benötigen den Dialog, um eine Haltung zu entwickeln, abzuwägen und zu vergleichen. Haltung zeigen, ist nicht zuletzt ein Lernprozess, der hohe Achtsamkeit benötigt, also ständiges Interesse, Aufmerksamkeit und Wachheit. „Wofür stehst du?“ Es lohnt sich, über diese Frage hin und wieder zu reflektieren. Schlussendlich nehme ich eine Haltung ein, damit ich  selbst aufrecht in den Spiegel schauen kann.

Dr. Michael Schwalbach / Der Volkswirt, Speaker, Autor und Podcaster ist Executive Coach, Top-Management-Berater sowie Yoga- und Meditationslerer. 20 Jahre lang arbeitete er in internationalen Unternehmensberatungen, seit 15 Jahren begleitet er vor allem Geschäftsführer und Vorstände in Führungsfragen und Veränderungsprozessen. Seine Spezialität: umfassende Kulturwandelprozesse in Mittelstand und Konzernen tiefgreifend zu begleiten – und eine neue Art der achtsamen Führung zu etablieren. Er ist Gründer und Geschäftsführer der LIFE Advisory GmbH.

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