Das Beste aus zwei Welten? Lernförderliches hybrides Lernen
Welche Voraussetzungen braucht es, damit hybrides Lernen in und außerhalb der Schule funktionieren kann? Isabell van Ackeren, Mitglied des Akademien-Beirats von Bildung & Begabung, und Manuela Endberg schreiben über den aktuellen Forschungsstand und Beispiele aus der Praxis.
Digitalisierung hat das Potenzial, zu verändern, was, wie, wo und wann gelernt wird, und dabei über die Möglichkeiten des Lehrens und Lernens in Präsenz hinauszugehen. Das gilt nicht nur für formale, zum Beispiel schulische Lerngelegenheiten, sondern auch beim informellen, selbst organisierten Lernen, etwa in der Familie oder in der Freizeit mit den Peers.
Das Was: Digitalisierung und digitale Medien beziehungsweise Tools werden selbst zum Lerngegenstand, da das Wissen über die Digitalisierung, die in allen Lebensbereichen voranschreitet, für gesellschaftliche Teilhabe wichtig ist. Die Chancen, Risiken und Wirkungen von großen Datensätzen (Big Data) zu kennen und bewusst vor dem Hintergrund entsprechenden Wissens zu handeln oder handeln zu wollen, ist ein prominentes Beispiel.
Das Wie: Gleichzeitig eröffnen digitale Tools neue Wege zu lehren und zu lernen, schon dadurch, wie Informationen aufbereitet und präsentiert werden; Multimedialität, Multiperspektivität sowie neue, auch automatisierte Feedback-Möglichkeiten sind hier zu nennen. Ein weiterer Aspekt betrifft den Umgang mit Informationen, beispielsweise indem sich diese – die im digitalen Raum in einer enormen Fülle vorliegen – im digitalen Modus leichter für verschiedene Lernkontexte nutzbar machen lassen. Auch die Art und Weise, wie Lernen in vielfältige soziale und situative Kontexte eingebunden werden kann, wird durch Digitalisierung erweitert (kollaboratives und kontextualisiertes Lernen sind hier zentrale Stichworte).
Das Wo und das Wann: Digitalisierung trägt vielfach dazu bei, dass Lernprozesse von festgelegten Orten und Zeiten entkoppelt gestaltet werden können. Informationen, Lernmaterialien und Ähnliches können im digitalen Raum jederzeit aufgerufen und an unterschiedlichsten Orten der analogen Welt genutzt werden. Die angeleitete Wissensvermittlung kann so auch asynchron erfolgen, was insbesondere in formalen, institutionalisierten Lernkontexten wie der Schule eine sinnvolle Ergänzung zu festgelegten Lernzeiten darstellen kann (beispielsweise Nachbereitung verpasster Inhalte oder Vorbereitung auf Prüfungen).
Was uns Forschung über hybrides Lernen verrät
Als besonders wirksam gelten in der Forschung Lernformen, die digitale (also zeit- und raumunabhängige) mit präsent an einem Ort zu einer Zeit verankerten Lerngelegenheiten verknüpfen; insbesondere wenn sie strukturiert, aktivierend und problemlösungsfördernd angelegt sind. Blended Learning oder Flipped Classroom sind prominente Beispiele.
- Blended Learning beschreibt Lerngelegenheiten, die in beliebiger Form eine Kombination aus digital synchronen oder asynchronen sowie analogen Lerngelegenheiten vorsehen (im Laufe eines Schulhalbjahrs, eines Semesters, einer Projektlernphase).
- Flipped Classroom wiederum meint das Prinzip, dass sich Lernende zunächst individuell bestimmte Lerninhalte auf digitalem Weg (zum Beispiel in Form von Videos, kommentierten Präsentationen, Simulationen) aneignen und sie anschließend im Austausch mit den weiteren Lernenden (einer Schulklasse, eines Kurses) unter Anleitung und Moderation von Lehrkräften oder Dozierenden vertiefen.
Wichtig ist dabei, dass die Lernformate so gestaltet werden, dass analoge und digitale Lernformen idealerweise von allen Lernenden genutzt werden können (barrierefrei) und die Wechsel zwischen digitalen und analogen Formaten möglichst reibungslos funktionieren. Lernförderlich ist nicht die Nutzung der digitalen Tools selbst, sondern deren didaktisch sinnvolle Verwendung. Hohe kognitive Aktivierung, Verstehensorientierung, fachdidaktisch begründete Fokussierung sozial-emotionale Unterstützung sind entsprechende Beispiele. Um die Anwendung der digitalen Tools anschließend in die Breite zu tragen, sollte auch die Wissens- und Kompetenzentwicklung der Nutzer und Nutzerinnen mitbedacht werden, etwa in Form von Fortbildungsangeboten sowie der Förderung des kooperativen Erfahrungsaustauschs – beides ist analog, digital oder hybrid umsetzbar.
Beispiel kollaboratives Arbeiten
Kollaboration, hier verstanden als gemeinsames computergestütztes Lernen, ist als ein Potenzial digitaler Anwendungen bereits sehr gut erforscht. Man weiß einiges darüber, unter welchen Rahmenbedingungen die Technologie die Kooperation nicht bloß unterstützt, sondern auch verbessert. Dazu zählt, Lernziele festzulegen, die durch das gemeinsame Bearbeiten des Lernmaterials erreicht werden sollen, ebenso wie die genaue Kenntnis über den Komplexitätsgrad der Aufgabenstellung: Die Lösung der Aufgabe oder das Erreichen der Lernziele sollte idealerweise nur gemeinsam möglich sein, auch die effektive Nutzung des von den einzelnen Gruppenmitgliedern eingebrachten Wissens.
Sogenannte Kooperationsskripte erweisen sich dabei als zentrale Hilfestellung. Sie strukturieren die gemeinsame Lernaktivität durch festgelegte Handlungsabfolgen und spezifische Rollen mit bestimmten Aufgaben. So können die Interaktionen und damit der Lernzuwachs sinnvoll begleitet und gefördert werden. Entsprechend können auch fachliche und soziale Kompetenzen auf diese Weise ausgebaut werden, zudem zeigen sich positive Effekte auf Einstellung und Motivation.
Als praktische Anwendungsbeispiele im digitalen Kontext, die sich als gemeinsam durchgeführte Lernaktivitäten eignen, können das Verfassen von Wiki-Einträgen oder das Erstellen von Erklärvideos genannt werden. Neben der kommunikativen und sozial unterstützenden Komponente werden dabei auch produktive Anwendungskompetenzen angesprochen, die dazu beitragen können, sich vertiefter mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen und eigene digitale Artefakte zu konstruieren.
Außerschulisches Lernen
Hybride Formate bieten Potenzial für unterschiedliche Lerngelegenheiten, auch für individualisiertes Lernen. Neben technischen Voraussetzungen (Infrastruktur, digitale Endgeräte) ist dabei eine didaktische Planung wichtig, um entsprechende Möglichkeiten auszuschöpfen, da sie sich in der Regel nicht automatisch einstellen. Dadurch, dass das Lernen räumlich und zeitlich flexibler wird, eröffnen sich neue Wege einer gezielten Verbindung mit außerschulischen Lerngelegenheiten, etwa indem Expertinnen und Experten aus Unternehmen, sozialen und kulturellen Einrichtungen, der Wissenschaft sowie aus anderen Lerngruppen – im sozialen Nahraum der Schule, aber auch über Ländergrenzen hinweg – zugeschaltet oder vielfältig im Kontakt sein können, auch zu Fragen der Digitalisierung als Gegenstand. Außerschulische Lernorte bereichern das Lernen in der Schule und erweitern die Perspektiven der Lernenden. Digital gestützt lässt sich in dieser Hinsicht manches leichter anbahnen und realisieren, auch wenn es den Austausch vor Ort nicht ersetzt. Allerdings ist das Potenzial digital gestützter oder hybrider Lernformate für das Lernen mit und über Digitalität weder aus Sicht der Forschung noch in der praktischen Anwendung hinreichend erfasst. Es erscheint lohnenswert, das gemeinsam weiter auszuloten.